2011 – Doppelcross! oder Das große Schieben

In diesem Jahr wurde wieder eine MTB-Tour in den Alpen geplant – es sollte ein richtiger Alpencross werden. Aber dabei war zu berücksichtigen, dass die Tour nicht länger als drei Tage und der Start- und der Zielort der gleiche sein sollten. Hmm, da per Definition ein Alpencross die Überquerung des Alpenhauptkamms darstellt, war klar, dass wir demnach dieses Mal doppelt „crossen“ müssen. Daher habe ich die Tour kurzerhand „Doppelcross“ getauft.

Eine Tour war dann auch irgendwann aus einem der GPS-Portale gefunden und die Route sollte von Finkenberg über das Tuxerjoch nach Gries am Brenner und weiter über die Brenner-Grenzkamm Straße via Pfitscherjoch zurück ins Zillertal nach Finkenberg führen. Etwas Bammel, ob die anstehenden 2000 hm an zwei Tagen hintereinander jeder durchstehen würde, hatten wir schon. Aber keiner der Fahrer wollte sich jetzt noch davon abbringen lassen, diese Tour zu meistern.

Nachdem dann die Unterkünfte gebucht und die Geduld unserer Frauen wochenlang durch tägliches Wiegen und Optimieren der Ausrüstung beinahe überstrapaziert wurde, machten sich sieben Biker des MTB-Club-Södel mit riesiger Vorfreude auf gen Süden. Für einige war es das erste richtige Mountainbike-Erlebnis in den Alpen …

Tag 1 – Finkenberg – Tuxerjoch – Gries am Brenner
53 km, 2070 hm, 6:39 Std netto, 9:35 Std brutto

Wir beschlossen am Vorabend den ersten Tourtag so früh wie möglich zu starten. Um 8.00 Uhr wurden die Bikes nochmal gecheckt, Luftdruck und Sattelposition überprüft, der Sitz des Rucksacks optimiert und auch mal neue Pedalen montiert !!!

Um 8.24 Uhr ging es dann los – die Tour war gestartet. Ohne einrollen ging es bergan in Richtung Skigebiet Hintertux. Die Fahrt auf der Straße war OK und wir gewöhnten uns dann auch schnell an die permanente Steigung. Nach den ersten zwei, drei Kilometern entledigten wir uns unserer Unterhemden. Das ständige An- und Ausziehen wurde unser permanenter Tourenbegleiter.

Kurz vor Lanersbach war dann die Tour plötzlich zu Ende. Eine Mure hatte Teile des Weges verschüttet und unser Wanderweg endete in einem Bach. Als wir die Blicke weiter schweifen ließen, stellten wir fest, dass der Weg auf der anderen Seite des Baches weiterging. Keine Frage – grundsätzlich waren wir richtig. Nach kurzer Überlegung zogen wir unsere Schuhe aus und stiegen in das eiskalte Wasser. Wir bildeten eine Kette und reichten die Bikes über den Bach. Was sich recht harmlos anhört fühlte sich sehr schmerzhaft an, denn das Wasser war so kalt, dass wir nach ein paar Minuten Krämpfe in den Beinen bekamen. Der Transport von sieben Bikes und sieben Rucksäcken an das andere Ufer dauert eben und das tat weh. Vielleicht hätten wir das Schild „Weg wegen Steinschlag gesperrt“ doch nicht ignorieren sollen.

Ab hier begann dann der Aufstieg zur Mutterbergalm. Dort haben wir zünftig Mittagspause gemacht und die Sommerskifahrer bestaunt. Unsere Energiespeicher wurden nun erstmal wieder aufgefüllt. Meine gebackenen Knödel mit ordentlich Zwiebeln waren zwar lecker, gingen mir aber dann auf dem weiteren Weg zum Tuxerjoch Haus irgendwie wieder verloren. Das Essen war für meinen Magen dann wohl doch zu schwer, so dass er sich vorzeitig davon verabschiedete.

Am Tuxerjoch Haus ruhten wir uns kurz aus – wir hatten schließlich gerade 300 hm hochgeschoben und freuten uns auf eine schöne Abfahrt. Vom Tuxer Gletscher zog ein Regengebiet herein, was uns schnell zur Weiterfahrt veranlasste.

Nach kurzer Zeit mussten wir feststellen, dass an eine Abfahrt nicht zu denken war. Der Weg war schön, steil und verblockt. Durch enge Serpentinen und über hohe Stufen schoben und trugen wir unsere Bikes durch den Regen – 500 hm bergab. Etwas frustriert aber immer noch wohlgemut ging es dann wieder fahrend nach Kasern. Dort kehrten wir ein und wärmten uns bei lecker Kaffee auf. Der Regen hatte aufgehört und wir konnten das letzte Teilstück dieses Tages durch das Wipptal nach Gries am Brenner beenden.

Tag 2 – Gries am Brenner – Brenner Grenzkamm – Enzianhütte/Zirog
39 km, 1834 hm, 4:33 Std netto, 8:09 Std brutto

Pünktlich um 8.15 Uhr starteten wir nach ausgiebigem Frühstück nicht ohne ein Start-Gruppen-Foto zu machen. Nach kurzem Einrollen durch Gries begann unser Aufstieg zur Sattelbergalm. Dort legten wir einen Kaffeestopp ein und genossen die Sonne. Wir befragten den Wirt nach dem optimalen Weiterweg zum Brenner Grenzkamm und entschlossen uns zur Durchfahrt der „verbotenen Zone“. Leise mit einem unguten aber spürbaren Gefühl von Verwegenheit passierten wir die Sattelalm vom „Bösen Bauer“ teils schiebend und teils fahrend.

Oben am Brenner Grenzkamm konnten wir das ganze Panorama der Berge genießen. Der Blick fiel dabei häufig auch auf die tief im Tal verlaufende Brennerautobahn. Der Weg am Grenzkamm zeigt noch deutlich die Spuren des Krieges in Form von teils verfallenen Bunkern. Der Author der Tour versprach in seinem Tourbericht den „Holy Singletrail“ vom Grenzkamm nach ….. Die Wirklichkeit bestand für uns wieder aus SCHIEBEN – und das BERGAB. Im weiteren Verlauf des Abstiegs wurde der Trail aber wirklich schön und fahrbar.

Als wir im Tal angekommen waren knurrten uns die Mägen, da die Hütten auf der bisherigen heutigen Etappe ausgeblieben sind. Diesem Punkt gilt es in der nächsten Tourplanung auf alle Fälle mehr Bedeutung beizumessen. Wir entschlossen uns kurzerhand im Tal so lange geradeaus dem Radweg an der Brennerstraße zu folgen, bis wir ein Lokal finden würden. Dabei rauschten wir auch am Aufstieg zur Enzianhütte – dem heutigen Etappenziel vorbei. Nach 3 Kilometern wurden wir fündig und schlugen uns die Mägen voll. Der letzte Anstieg zur Enzianhütte hatte es nochmal in sich. Gut 500 hm mit ordentlichem Gefälle auf einer Schotterautobahn. Als alle nach dem Essen ihren Rhythmus gefunden hatten, waren diese letzten Höhenmeter auch bald Geschichte.

Die Hütte ist eine urige Unterkunft. Der mittlere Stock sah frisch renoviert aus, die Sanitärbereiche waren sauber und freundlich und auf der Sonnenterrasse war noch richtig was los. Nach dem ersten Stärkunsgbier bezogen wir das Bettenlager, duschten uns und wuschen unsere Sachen durch.

Danach wurde wieder geschlemmt und bei Weizenbier (teils mit und teils ohne Alkohol) ließen wir den Tag nochmal Revue passieren. Nicht ohne uns dabei immer wieder gegenseitig zu versichern, dass wir die Größten waren.

Die Nacht im Bettenlager haben wir alle in unterschiedlicher Erinnerung. Dass es sauheiß war bestreitet keiner. Und irgendwie schlafen auch immer die „Frierkatzen“ direkt am Fenster. Aber dank Andi sind wir vor dem Erstickungstod gerettet worden – er hat nämlich alle Fenster aufgerissen.

Das mit der Lautstärke ist so eine Sache – gegen die hatte ich meine Ohrstöpsel (danke Andi) und gegen die Hitze hatte ich meinen nassen Bikesachen im Bett (ja die wurden körpergetrocknet) aber andere sind durch den Geräuschpegel um den Großteil ihrer Nachtruhe gekommen.

Am Morgen stand fest: Hüttenlager muss man mal gemacht haben – aber auch nur einmal.

Tag 3 – Enzianhütte/Zirog – Schlüsseljoch – Pfitscherjoch – Finkenberg
60 km, 1463 hm, 5:09 Std netto, 9:53 Std brutto

Das Aufstehen viel am letzten Morgen recht leicht. Es waren eh viele noch vom Vorabend wach – zumindest gefühlt.

Das Frühstück war nicht opulent aber absolut OK und wir wurden alle satt. Pünktlich um 8.15 Uhr hieß es wieder „Sattelkontakt“. Aber nur kurz, denn hinter der Hütte ging es sofort wieder 300 hm nach oben. Und was soll ich sagen? Natürlich überwiegend schiebend.

Am Schlüsseljoch hatten wir einen gigantischen Ausblick ins Pfitschertal und dieser letzte Tag entschädigte für alle Strapazen. Die Abfahrt vom Schlüsseljoch nach Kematen war super und dort schmeckte dann der Cappuccino auch richtig lecker.

Von Kematen ging es dann bei leichter Steigung bergan nach St. Jakob und ab da begann der Anstieg zum Pfitscherjoch. Schön und komplett fahrbar bewältigten wir die fast 900 hm am Stück. Es war super. Auf über 2000 m Höhe hatten wir an diesem Tag 32° C – zumindest auf der Südseite. Als wir oben am Pfitscherjoch Haus unsere Mittagspause machten, war es aber dort schon ordentlich zugig. Die Hüttenmakkaroni waren ein Gedicht.

Die Abfahrt zum Schlegeisspeicher war ein visueller Gaumenschmauß und die Wassermassen, die uns auf unserem Weg bergab begleiteten waren beeindruckend.

Wenngleich wir wieder einiges Schieben mussten, versuchten wir doch auch so viel wie möglich zu fahren. Dabei wurde je tiefer man kam, die Fahrtechnik auch deutlich besser. Der Blick für die Ideallinie wurde geschult und wir trauten uns doch auch die ein oder andere Passage zu, die weiter oben noch unfahrbar erschien.

Am Schlegeisspeicher angekommen wurde ein kurzes Beweisfoto geschossen und ab ging es die Serpentinenstraße nach unten.

Unsere letzte „Almrast“ legten wir am Gasthof Breitlahner ein freuten uns schon sichtlich auf Finkenberg.

Vor Finkenberg wurde aber ein neuer Umgehungstunnel gebaut. Als unsere Gruppe an der Ampel vor der Tunneleinfahrt auseinandergerissen wurde, stellten wir fest, dass wir genau vor der Tunneleinfahrt hätten abbiegen müssen. Einige waren aber weiter vorne und hörten die Rufe nicht. Also durchfuhren wir alle den Tunnel. Ein Erlebnis der besonderen Art!

Der Tunnel war ca. 3 km lang und führte dunkel, steil und geradeaus nach unten. Er war so lang, dass man das Licht am Ende nicht sehen konnte – wahrscheinlich war doch die ein oder andere Kurve drin.

Da der Tunnel noch neu und von innen noch unverkleidet war, wurde auch das seitlich von den Neonröhren abgestrahlte Licht großteils geschluckt. Mit ca. 50 km/h ging es nun diese einspurige Röhre hinunter.

Als der Tunnel uns unten auspuckte, mussten wir feststellen, dass es zwar nur noch knapp 700 Meter bis zur Pension waren – aber eben Luftlinie. Und Luftlinie ist in den Alpen so eine Sache.

Bis zum Ziel hatten wir dann nochmal gut 400 hm extra aber eine Erfahrung mehr gemacht.

Unsere Wirtin – es war die gleiche Pension, wie auch beim Tourstart – begrüßte uns dann auch sofort mit einem Obstler. Dieser nahm keinen Umweg über den Magen sondern ging direkt ins Hirn. Mit mächtig Spaß im Gesicht und Stolz wie Bolle, dass wir es geschafft hatten, ließen wir es uns im Garten der Pension Eberl gut gehen.

Nächstes Jahr legen wir noch eine Schippe drauf …